1Jun2012

Anwendbares Verfahrensrecht sowie Qualifikation ausländischer Gerichtsgutachten als Beweismittel

Die Klägerin X. AG hatte gegen die Beklagte Y. AG im Jahr 2008 vor dem Handelsgericht des Kantons Zürich auf Feststellung der Nichtigkeit des schweizerischen Teils des europäischen Patents der Beklagten geklagt. Parallelverfahren waren u.a. in Deutschland und Italien anhängig. Nach Abschluss des doppelten Schriftenwechsels vor dem Handelsgericht und der Verfahrensüberweisung an das Bundespatentgericht reichte die Beklagte zwei Gutachten gerichtlich bestellter Sachverständiger (ca. 300 Seiten) aus den ausländischen Parallelverfahren als Noven ein. Aus den Gutachten übernahm die Beklagte in ihrer eigenen Eingabe nur die Schlussfolgerungen der Sachverständigen.

Es stellte sich die übergangsrechtliche Frage, welches Verfahrensrecht auf den übernommenen Prozess anzuwenden sei – die schweizerische oder die zürcherische Zivilprozessordnung. Das Bundespatentgericht stellte als Ausgangspunkt fest, dass die Übergangsbestimmung von Art. 41 PatGG nicht anordnet, welche Verfahrensordnung auf von den kantonalen Gerichten übernommene Prozesse anwendbar ist. Art. 27 PatGG spreche mit seinem Wortlaut für die Anwendung der schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO CH). Die Übergangsvorschrift von Art. 404 I ZPO CH gelange nicht zur Anwendung, zumal kantonale Gerichte und das Bundespatentgericht nicht als dieselbe Instanz zu betrachten seien; zumindest aber würde Art. 27 PatGG als neueres Recht und lex specialis dem Art. 404 I ZPO CH vorgehen. Dem übergangsrechtlichen Grundsatz der sofortigen Anwendbarkeit neuen Verfahrensrecht entspreche jedenfalls die sofortige Anwendung der prozessrechtlichen Normen des PatGG. Das Bundespatentgericht wies aber darauf hin, dass wesentliche Parteirechte der Beteiligten gewahrt bleiben müssen, d.h. das neue Recht die Stellung einer Partei im bisherigen Verfahren nicht verschlechtern darf.
Das Bundespatentgericht qualifizierte die eingegeben Gerichtsgutachten aus den ausländischen Parallelprozessen als Urkunden (Art. 177 ZPO CH). Es erinnerte daran, dass die anspruchsbegründenden Tatsachenbehauptungen so konkret wie möglich zu behaupten sind. Tatsachen, welche sich aus einer Beilage ergeben, ohne von der Partei in ihrer Rechtsschrift hinreichend detailliert behauptet worden zu sein, werden vom Gericht nicht beachtet. Daher wurden die Gerichtsgutachten nur in Bezug auf die Schlussfolgerungen zugelassen, welche die Beklagte in ihrer Eingabe aufgenommen hatte, nicht aber in Bezug auf die restlichen Ausführungen.


(Entscheid in der Rechtssache O2012_022 vom 3.05.2012)

http://www.bpatger.ch/assets/PDFFiles/O2012_022.pdf