3Okt2012

Nichteintreten wegen ungenügendem Rechtsbegehren; Bemessung der Parteientschädigung

Die Klägerin (Misapor AG) hatte beim Kantonsgericht Graubünden eine Klage gegen die Beklagten (1. Danko Basura und 2. Beton Val Mulin AG) eingereicht und u.a. die zu verbietenden Verletzungsformen in drei Unterlassungsbegehren (1.1, 1.2 und 1.3) näher spezifiziert. Die Klägerin stützte sich auf das Patent EP 1 183 218 B1 (Leichtbeton).

Das Rechtsbegehren hatte direkt (1.1 und 1.2) bzw. indirekt (1.3) den unabhängigen Patentanspruch 3 (fliessfähige und aushärtbare Gussmasse) zum Gegenstand, gab diesen im Wesentlichen wieder und beinhaltete u.a. das Merkmal, wonach „die Schaumglasbrocken eine zwischen 0 und der grössten Korngrösse abgestufte Siebkurve mit wenigstens 3 Korngrössen aufweisen“. Letzteres Merkmal wurde wortwörtlich aus der Formulierung des erteilten Schutzanspruchs übernommen. In der Replik ergänzte die Klägerin das Rechtsbegehren 1.2 mit einem Eventualbegehren unter Verweis auf eine Produktbezeichnung („Technopor Perimeter 50“). Nach doppeltem Schriftenwechsel, der Prozessüberweisung an das Bundespatentgericht, einer Instruktionsverhandlung und einem schriftlichen Fachrichtervotum, welches zum Schluss kam, soweit gültig, sei das Patent nicht verletzt, wurde der Klägerin u.a. Frist angesetzt, ihr Rechtsbegehren zu verbessern bzw. das Unterlassungsbegehren im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 131 III 70) zu konkretisieren. Die Klägerin hielt jedoch  am bisherigen Rechtsbegehren fest.
Die Beklagte war der Auffassung, dass das Verbotsverhalten im klägerischen Rechtsbegehren nicht genau umschrieben sei und daher präzisiert werden müsse. Zudem könne es nicht Aufgabe der Vollstreckungsbehörden sein, zu entscheiden, ob ein Beton „wenigstens 3 Korngrössen“ enthalte. Die Klägerin wiederum machte geltend, es sei nicht generell unzulässig, für ein patentrechtliches Unterlassungsbegehren und -urteil den Wortlaut eines Patentanspruchs zu verwenden, weil Patentansprüche in weitem Rahmen abstrakter oder präziser formuliert werden könnten. Vorliegend seien sämtliche Merkmale des Patents verletzt worden, weshalb eine solche Formulierung in diesem Fall zulässig sei und ein Abweichen von den in BGE 131 III 70 aufgestellten Grundsätzen seine Richtigkeit habe. Darüber hinaus hätten die Vollstreckungsbehörden, zur Verhinderung der Schutzlosigkeit von technisch anspruchsvollen Erfindungen, bei ihrem Entscheid im Einzelfall einen mit der betreffenden Technologie vertrauten Fachmann beizuziehen.
Das Bundespatentgericht stellte als Ausgangspunkt fest, dass dem Streitpatent eine Definition fehle, was unter einer anspruchsgemässen Korngrösse zu verstehen sei. Des Weiteren definiere das Patent nicht, wie breit ein solcher Korngrössen-Bereich sein müsse/könne und wie gross der Anteil (bezogen auf die Gesamtmasse) innerhalb eines Korngrössen-Bereichs sein müsse. Ebenso wenig werde angegeben, wie weit solche drei verschiedenen Bereiche voneinander (wenn überhaupt) entfernt sein müssen. Im Übrigen sei unter den Parteien strittig, was genau mit einer Korngrösse gemeint sei. Laut Gericht scheine gar der Klägerin bewusst zu sein, dass die Anzahl der Korngrössen bei einem bestimmten Produkt von der Feinheit der Unterscheidung abhänge. Durch die Formulierung gemäss Rechtsbegehren („wenigstens drei Korngrössen“) sei die Verletzungsform nicht als reale technische Handlung durch bestimmte Merkmale so umschrieben, dass es keine Auslegung rechtlicher oder technischer Begriffe mehr bedürfe (BGE 131 III 70). Die Klägerin hätte unter Verwendung von spezifischeren Angaben über die Korngrössenverteilung des konkreten Verletzungsobjekts, allenfalls unter Angabe von Bereichen für die Prozentzahlen, das Rechtsbegehren konkretisieren können und müssen.
Auch die anderen Argumente der Klägerin vermochten das Gericht nicht zu überzeugen: Zunächst liege gar keine Verletzung vor, wenn bei einer Verletzungsform nicht alle Merkmale des Anspruchs verletzt bzw. erfüllt seien; daher vermöge der Umstand, dass sämtliche Merkmale des Patents verletzt seien, ein Abweichen vom erwähnten BGE nicht zu rechtfertigen. Weiter stehe es ausser Frage, dass ein Vollstreckungsrichter einen Fachmann beziehen könne und müsse, wenn es um eine technisch anspruchsvolle Sachverhaltsanalyse gehe (z.B. wie viele Steine von welcher Grösse ein bestimmter Beton enthalte). Ein Vollstreckungsrichter solle aber nicht die Frage beantworten müssen, ob der ermittelte Sachverhalt eine Patentverletzung darstelle, sondern nur, ob der festgestellte Sachverhalt demjenigen entspricht, den das Dispositiv beschreibt. Das Bundespatentgericht wiederholt in der Folge die in seinem Entscheid vom 7. März 2012 im Verfahren S2012_002 (E. 3) festgehaltenen Anforderungen an die Formulierung von Unterlassungsbegehren und fügte, unter Verweis auf BGE 131 III 70 (E. 6), schliesslich noch an, dass auch die Bezugnahme auf die Produktbezeichnung „Technopor Perimeter 50“ im Eventualbegehren lediglich ergänzend zu einer konkreten Beschreibung des Verletzungsgegenstandes angeführt werden könne.
Zusammenfassend trat das Bundespatentgericht auf die Klage, deren Streitwert die Parteien mit CHF 100'000.00 bezifferten, nicht ein und verpflichtete die Klägerin, nebst der Auferlegung der Gerichtskosten, ausgangsgemäss (Art. 106 Abs. 1 ZPO), der Beklagten eine Entschädigung für die rechtsanwaltliche Vertretung in der Höhe von CHF 24'000.00 und die patentanwaltlichen (Beratungs-)Aufwendungen in der Höhe von CHF 16'000.00 zu bezahlen. Es stützte sich dabei auf Art. 4 in Verbindung mit Art. 5 (Tarif) bzw. Art. 9 Abs. 2 in Verbindung Art. 3 lit. a (notwendige Auslage) des Reglements über die Prozesskosten beim Bundespatentgericht (KR-PatGer). Keine der Parteien habe geltend gemacht, dass dem vorliegenden Fall eine besondere Wichtigkeit zukäme. Die Sache sei (für eine Patentstreitigkeit) nicht als komplex einzustufen und es seien keine besonderen Schwierigkeiten auszumachen gewesen. Der Umfang der Streitsache habe sich mit doppeltem Schriftenwechsel und Instruktionsverhandlung (ohne Hauptverhandlung und Beweisverfahren) in Grenzen gehalten. Eine Überschreitung der Tarifrahmen von Art. 5 KR-PatGer gestützt auf Art. 8 KR-PatGer, wie sie die Beklagte beantragte, lehnte das Gericht ab, weil kein offenbares Missverhältnis zwischen Streitwert und Zeitaufwand der berufsmässigen rechtsanwaltlichen Vertretung bestehe. Mit dem Zeitaufwand in Art. 5 KR-PatGer sei nur der notwendige und nützliche Zeitaufwand für die betreffende rechtliche Auseinandersetzung gemeint und diesen hätten die Beklagtenvertretern und -berater vorliegend mit 250 verrechenbaren Rechtsanwaltsstunden bzw. 135 Stunden patentanwaltlichem Aufwand eindeutig bzw. in exorbitantem Ausmass überschritten.

(Entscheid in der Rechtssache O2012_004 vom 24.08.2012)

http://www.bpatger.ch/assets/PDFFiles/O2012_004.pdf