28Feb2013

Abweisung des Gesuchs um Erlass vorsorglicher Massnahmen wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit

Die Klägerin, ein internationaler Pharmakonzern mit Sitz in Schweden und Inhaberin eines Europäischen Patentes mit Schutzwirkung für die Schweiz, stellte beim Bundespatentgericht ein Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahmen (superprovisorisch) gegen die Beklagte mit Sitz in der Schweiz, weil diese mit dem in der Schweiz zugelassenen Medikament E angeblich das Patent der Klägerin verletze.

Das Gericht verneinte den superprovisorischen Charakter. Nach Abschluss des schriftlichen Verfahrens (Massnahmeantwort, Replik und Duplik) wurde ein Fachrichtervotum eingeholt, welches dem einschlägigen Patentanspruch 1 fehlende erfinderische Schöpfungshöhe attestierte. Im Anschluss an die diesbezügliche Stellungnahme der Parteien wies das Gericht das Gesuch schliesslich ab, weil glaubhaft gemacht worden sei, dass das Patent die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 PatG (Nicht-Naheliegen) nicht erfülle und damit nichtig sei.
Die Klägerin liess im Wesentlichen Folgendes ausführen: Nach Untersuchung des Präparats der Beklagten habe sich herausgestellt, dass die E-Tabletten neben der Dihydratform des E-Magnesiumsalzes auch einen hohen Anteil desselben in Trihydratform aufwiesen, obwohl gemäss veröffentlichter Marktzulassung und Patienten- bzw. Fachinformationsangaben ausschliesslich E als Wirkstoff in Dihydratform enthalten sein sollte. Damit falle das Produkt in den Schutzbereich des unabhängigen (Stoff-)Anspruchs 1, welcher Magnesiumssalz von S-Omeprazol (auch E genannt) Trihydrat beanspruche. Das Magnesiumsalz E komme als Dihydrat, Trihydrat oder in amorpher (nicht kristalliner) Form vor, wobei das Vorliegen der vorteilhafteren, weil stabileren und einfacher handhabbaren, Trihydratform im Vergleich zu den anderen Salzformen, welche dem Stand der Technik entsprechen würden, überraschend herausgefunden worden sei. Im Fachrichtervotum sei die objektive technische Aufgabe aufgrund einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungsweise (bei der Wahl des behaupteten nächstliegenden Stands der Technik) falsch bestimmt worden; Magnesiumsalz hätte nicht bereits in die Aufgabenstellung einbezogen werden dürfen. Ferner sei der Nachweis von Hydraten und die Untersuchung von Hydratformen von Arzneimitteln nicht routinemässig vorzunehmen, sondern nur dann, wenn es nicht bereits eine gut beschriebene Feststoffform gebe, was vorliegend der Fall sei.
Die Beklagte entgegnete zusammenfassend was folgt: Während ihr Medikament E aus dem Dihydrat von Magnesium-E bestehe, bestehe das Präparat der Klägerin aus dessen Trihydrat. Die Substanz gehöre, wie im Patent erwähnt, zum Stand der Technik und sei damit nicht neu. Eventuell fehle es an der erfinderischen Tätigkeit, weil zum Prioritätszeitpunkt bestens bekannt gewesen sei, dass das kristalline Magnesiumsalz Hydrate bilde, weshalb das Auffinden eines Trihydrates keine erfinderische Tätigkeit beinhalte. Hierzu reichte die Beklagte diverse Dokumente zum Stand der Technik ein.
Das Bundespatentgericht folgte dem Fachrichtervotum und verwarf die von der Klägerin vorgebrachten Einwände: Das kristalline Magnesiumsalz von S-Omeprazol sei im einen Dokument ausführlich (inkl. Herstellung und Charakterisierung) beschrieben und S-Omeprazol Magnesiumsalz in einem anderen Dokument eindeutig an mehreren Stellen erwähnt worden. Das eine Dokument, welches allgemeines Fachwissen darstelle, halte zwar fest, dass nicht nach weiteren Hydraten gesucht werden müsse, wenn eine gut beschriebene Festform vorliege – räume jedoch gleichzeitig ein, dass es von einem wissenschaftlichen Standpunkt her sinnvoll sei, auch in dieser Situation nach weiteren Formen (Hydraten) zu suchen. Es gehöre zu den Routineaufgaben eines Fachmanns in der Wirkstoffforschung, Weiterentwicklungen vorzunehmen. Es erscheine glaubhaft, dass der Fachmann aufgrund der bekannten, klaren Lehre tatsächlich nach Hydraten gesucht hätte und ohne erfinderische Leistung zum Trihydrat (Isolierung und Charakterisierung) gelangt wäre. Dies hätte er in normaler Fortentwicklung der Technik getan, auch wenn ihm kein Dokument vorgelegen habe, welches einen klaren Hinweis dafür gebe, dass bei Hydratformen des Magnesiumsalzes von S-Omeprazol vorteilhafte Eigenschaften zu erwarten wären. Wenn es nicht erfinderisch sei, ausgehend vom Stand der Technik zu Hydratformen von S-Omeprazol Magnesiumsalz im Allgemeinen zu gelangen, sei es auch die spezielle Trihydratform nicht erfinderisch, weil es sich hierbei um eine willkürliche Auswahl aus den verschiedenen Hydratformen zu handeln scheine, welche gleichermassen geeignet seien.

(Entscheid S2012_011 vom 21. November 2012)