15Jan2014

BPatG: Prüfung einer äquivalenten Verletzung setzt als drittes Kriterium Gleichwertigkeit voraus

Die Klägerin A. AG beantragte gegenüber der B. AG im Wege vorsorglicher Massnahmen u.a. das Verbot, in der Schweiz Kontrazeptiva mit bestimmten Wirkstoffen (D1 bis D4) zu benützen. Die Klägerin stützte sich dabei auf die europäischen Streitpatente EP 791 und EP 840. Die Beklagte beziehe die Wirkstoffe von K, welche diese nach einem ersten (herkömmlichen) Verfahren oder aber nach einem zweiten (abgeänderten) Verfahren herstelle. Auf Hinweis des Präsidenten des Bundespatentgerichts ergänzte die Klägerin in der Replik ihre ursprünglichen Anträge um Eventualbegehren, in denen spezifiziert wurde, wie der in den Produkten enthaltene Wirkstoff hergestellt wurde.

Das Bundespatentgericht wies darauf hin, dass Produktbezeichnungen grundsätzlich nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit patentrechtlicher Unterlassungsrechtsbegehren genügen. Eine Ausnahme sei zwar denkbar für zulassungspflichtige Medikamente. Diese sei aber vorliegend nicht einschlägig, zumal es sich bei den Streitpatenten um Verfahrenspatente handele und aus den Zulassungsunterlagen nicht hervorgehe, dass das Produkt zwingend nach einem bestimmten Verfahren hergestellt werden müsse. Das Bundespatentgericht trat damit auf die ursprünglichen Rechtsbegehren nicht ein, sondern beurteilte die Eventualbegehren.

Hinsichtlich des ersten verwendeten Verfahrens hatte die Klägerin eine Verletzung nur in Bezug auf das Streitpatent EP 840 behauptet. Sie konnte aber nicht glaubhaft machen, dass dieses Verfahren überhaupt noch zum Einsatz gelangte.

Hinsichtlich des zweiten Verfahrens stand eine Verletzung in Form der Nachahmung zur Diskussion. Das Bundespatentgericht äusserte sich unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts und ausländischer Gerichte zum Prüfungsmassstab für eine äquivalente Verletzung in der Schweiz. Nach Bundesgericht liegt eine äquivalente Verletzung vor, wenn ein „Verfahren oder ein Erzeugnis, obwohl es ein oder mehrere Merkmale des Anspruchs nicht verwirklicht, diese Merkmale durch andere ersetzt, die im Rahmen der der patentierten Lösung zugrundeliegenden Aufgabe die gleiche Funktion wie die anspruchsgemässen Merkmale erfüllen“ (erste Frage) und diese ersetzenden Merkmale „dem durchschnittlich gut ausgebildeten Fachmann durch die patentierte Lehre nahegelegt sei[e]n“ (zweite Frage). Das Bundespatentgericht zeigte auf, dass in der Schweizer Rechtsprechung – im Gegensatz zu ausländischer Usanz – bislang kein Kriterium bestehe, wonach die ersetzenden Merkmale als gleichwertig gewertet werden müssten, um eine äquivalente Verletzung zu bejahen. Das Bundespatentgericht erkannte, dass die ersten beiden Fragen sich aufgrund des Anspruchsprimats in zu geringem Masse am effektiven Anspruchswortlaut orientierten. Neu ist bei schweizerischen und europäischen Patenten für eine Nachahmung daher auch zu prüfen, ob der Fachmann bei Orientierung am Anspruchswortlaut im Lichte der Beschreibung die ersetzten Merkmale als gleichwertige Lösung in Betracht gezogen hätte. Diese dritte Frage gewährleiste die Rechtssicherheit für Dritte.

Eine Nachahmung in Bezug auf das Streitpatent 791 scheiterte im konkreten Fall jedenfalls an dem Gleichwertigkeitskriterium: Die streitpatentgemässe Oxidation mit einem herkömmlichen einfachen Oxidationsmittel und einem Rutheniumsalz als Katalysator war im zweiten Verfahren ersetzt worden durch Calciumhypochlorit als herkömmlichen Oxidationsmittel und einem organischen Radikal als Katalysator.  

In Bezug auf das Streitpatent 840 bejahte das Bundespatentgericht dagegen eine Nachahmung durch Einsatz der Base Pyridin/Wasser anstelle der Säure p-Toluolsulfonsäure zur Wasserabspaltung aus einem Enol. Es sprach damit hinsichtlich dem zweiten Verfahren und Streitpatent 840 das beantragte vorsorgliche Verbot aus.

(Entscheid in der Rechtssache S2013_001 vom 21.03.2013)