Drucken

Google bietet auch in der Schweiz den Internet-Dienst Google Street View für Google Maps an. Dazu wurden seit März 2009 Strassenbilder in der ganzen Schweiz aufgenommen. Auf den Bildern wurden Gesichter von abgebildeten Personen und Kennzeichen von Fahrzeugen automatisch unkenntlich gemacht. Das automatische "Blurring" erfasste jedoch nicht sämtliche Personen, weshalb der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) verschiedene Beschwerden erhielt.

Der EDÖB hielt die automatische Bearbeitung der Bilder für ungenügend. Nach Gesprächen mit Google erliess der EDÖB im September 2009 eine Empfehlung an Google Inc. und Google Switzerland GmbH, die von Google in weiten Teilen abgelehnt wurde. Daraufhin erhobt der EDÖB Klage beim Bundesverwaltungsgericht. Im Rahmen des Verfahrens trafen die Parteien im Dezember 2009 eine Vereinbarung. Im Urteil vom 30. März 2011 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Klage zu grossen Teilen gut.

Im einzelnen hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, die Datenbearbeitung durch Google verstosse gegen die Bearbeitungsgrundsätze des Datenschutzgesetzes und lasse sich nicht durch überwiegende private oder öffentliche Interessen rechtfertigen. Google habe darum besorgt zu sein, sämtliche Gesichter und Kontrollschilder unkenntlich zu machen, bevor die Bilder im Internet veröffentlicht werden. Im Bereich von sensiblen Einrichtungen (wie Frauenhäuser, Altersheime, Gefängnisse, Schulen, Sozial- und Vormundschaftsbehörden, Gerichte und Spitäler), seien die Bilder überdies soweit zu anonymisieren, dass nebst den Gesichtern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen etc. nicht mehr feststellbar seien. Bilder, die Privatbereiche wie umfriedete Gärten oder Höfe zeigten, die dem Anblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen blieben, dürften nicht aufgenommen werden. Solche bereits vorhandenen Bilder seien aus Google Street View zu entfernen, und die Aufnahmehöhe sei entsprechend anzupassen, oder es sei eine Einwilligung der Berechtigten einzuholen. Dagegen sei es nicht notwendig, Aufnahmen aus Privatstrassen ohne Einwilligung generell zu untersagen. Vielmehr müsse auch hier gelten, dass Aufnahmen und deren Veröffentlichung zulässig seien, sofern sie hinreichend unkenntlich gemacht worden sind und keine Privatbereiche zeigen. Zur Information über geplante Aufnahmeorte erwog das Bundesverwaltungsgericht, dass ein Hinweis auf der Startseite von Google Maps im Internet nicht genüge, sondern darüber hinaus auch in lokalen Presseerzeugnissen darüber zu orientieren sei. Es gebe potentiell betroffene Personen, die das Internet nicht nutzten, und selbst für den grösseren Teil der Bevölkerung, der das Internet regelmässig nutze, sei eine regelmässige Konsultation von Google Maps - nur um auf allfällige Aufnahmegebiete aufmerksam zu werden - nicht zumutbar. Gleiches gelte für die Aufschaltung von Aufnahmen im Internet.

Google Inc. und die Google Switzerland GmbH führten im Mai 2011 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesgericht bestätigte am 31. Mai 2012 das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Wesentlichen, präzisierte aber vor dem Hintergrund der Verhältnismässigkeitsprüfung die Anforderungen an Google Street View. "Die sich gegenüberstehenden Interessen sind einerseits das Recht auf Achtung der Privatsphäre und das Recht am eigenen Bild der betroffenen Personen, andererseits die von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten privaten und öffentlichen Interessen. Auf der einen Seite stehen somit die Rechte Betroffener, die selber oder deren Häuser, Wohnungen, Gärten, Fahrzeuge etc. aufgenommen wurden und deren Abbildungen auf Street View für jedermann frei zugänglich veröffentlicht sind. Auf der anderen Seite berücksichtigte die Vorinstanz die überwiegend wirtschaftlichen Interessen der Beschwerdeführerinnen, insbesondere das Interesse, keinen finanziellen (Mehr-) Aufwand für eine manuelle Unkenntlichmachung von nicht automatisch genügend verwischten Bildern leisten zu müssen. Aber auch Interessen von Dritten oder sogar der betroffenen Personen selbst können die Datenbearbeitung unter Umständen rechtfertigen. Grundsätzlich kann jedes schützenswerte Interesse, das heisst jedes Interesse von allgemein anerkanntem Wert, berücksichtigt werden. (…) Auch rein wirtschaftliche Interessen, wie beispielsweise das Interesse daran, eine Datenbearbeitung möglichst effizient zu gestalten oder die eigenen Geschäftsabläufe zu optimieren, zählen grundsätzlich dazu."

Das Bundesgericht hielt insbesondere fest, dass im Rahmen der Interessenabwägung auch die Interessen Dritter zu berücksichtigen sind, die aus Street View einen Nutzen durch erleichterte Informationsbeschaffung und -verwendung ziehen. "Es ist offensichtlich, dass Street View seit seiner Einführung für einen erheblichen Teil der Bevölkerung die Suche nach Informationen über den öffentlichen Raum erleichtert und insofern ein willkommenes, legitimes Hilfsmittel etwa bei der Reiseplanung, der Suche nach einer Liegenschaft oder der Erkundung unbekannter Örtlichkeiten darstellt. In diesem Sinne ergänzt der Dienst die Orientierung mittels Stadtplänen oder Landkarten, die auch im Internet konsultiert werden können. Allfällige unlautere Absichten gewisser Nutzer stellen die grundsätzlich positiven Aspekte der mit Street View eröffneten Orientierungshilfen nicht infrage. Das beschriebene Interesse an der Nutzung von Street View ist in der Interessenabwägung zu berücksichtigen."

"Den Persönlichkeitsverletzungen und weiteren negativen Auswirkungen beugen die Beschwerdeführerinnen vor, indem die meisten Bilder von Personen und Fahrzeugkennzeichen in Street View mit der automatischen Verwischungstechnologie "anonymisiert" im Internet erscheinen. Beim systematischen Bearbeiten sehr grosser Mengen von Personendaten mit Veröffentlichung für einen unbestimmbar grossen Kreis potenzieller Nutzer, wie es bei Street View der Fall ist, erscheint es grundsätzlich gerechtfertigt, hohe Anforderungen an die Anonymisierung zu stellen. Insbesondere, weil sich der öffentliche und der private Raum nur schwer voneinander abgrenzen lassen und die Trennung wesentlich auch vom Betrachter abhängt, sollten die betroffenen Personen möglichst auch im öffentlichen Raum in ähnlichem Mass durch Anonymisierung geschützt werden, als würde es um einen Einblick in einen privaten Raum gehen. Ausserdem ist zu bedenken, dass infolge der technologischen Entwicklung der letzten Jahre die Speicherfähigkeit, Durchlässigkeit und Vernetzung von Informationen enorm zugenommen haben."

Das Bundesgericht hält fest, dass zwar jede unterbliebene Anonymisierung eines Gesichts oder eines anderen Identifikationsmerkmals eine Persönlichkeitsverletzung darstelle, soweit der Betroffene der Publikation des Bildes nicht zugestimmt habe und keine gesetzliche Rechtfertigung vorliege. Eine kleine Fehlerquote (ca. 1 %) könne bei der automatischen Anonymisierung jedoch im Sinne der Verhältnismässigkeit hingenommen werden kann, wenn die Beschwerdeführerinnen die folgenden Kriterien erfüllen:

(BGE 1C_230/2011 vom 31. Mai 2012)